Doch eine Gemeinsamkeit gibt es: Alle drei haben Nähte und werden auf Steppmaschinen hergestellt. Die Kissen und Laken von Katharina Max in der Textilgruppe Duisburg-Rheinhausen der Caritas-Werkstätten Niederrhein und die Schäfte von Schuhmacher, Jannik Holtwick, Modelleur bei Elten. Im Rahmen der Aktion „Schichtwechsel“ haben die beiden unter fachkundiger Anleitung des jeweils anderen für je einen Tag die Rollen getauscht.
In ihrem Job ist die 28-jährige Katharina normalerweise eher die Frau für gerade Nähte. Bei Elten hat sie nun selbst runde Doppelnähte gemeistert und erfolgreich gezeigt, was in ihr steckt. „Ich bin überrascht von mir selbst“, freut sie sich. „Es war schön, dass ich das mal ausprobieren durfte. Die Arbeit hier ist wirklich sehr abwechslungsreich.“ Auch Jannik ist von Katharinas Stepparbeit angetan: „Katharina hat sehr motiviert und vor allem konzentriert gearbeitet. Sie war aufmerksam und hat sich richtig gut auf die jeweiligen Aufgaben einlassen können.“
Eine Woche später dann hat Jannik in Duisburg-Rheinhausen unter Katharinas Anleitung keine Sicherheitsschuhe, sondern Bettlaken und Kopfkissen genäht. „Ich war echt überrascht, wie groß die Textilwerkstatt ist und wie viele Steppmaschinen es dort gibt“, sagt Jannik. Aber auch der kollegiale Umgang der Mitarbeiter untereinander hat ihn beeindruckt. „Besonders gut gefallen hat mir die offene und Hilfsbereite Art der Kollegen. Wenn Katharina ein Werkzeug gesucht hat, haben alle mitgeholfen, es zu finden.“
Ziel der bundesweiten Aktion Schichtwechsel der Bundesarbeitsgemeinschaft Werkstätten für behinderte Menschen e.V. ist es, Einblicke zu ermöglichen, Berührungsängste abzubauen und dem 1. Arbeitsmarkt zu zeigen, welches Potenzial in den Behindertenwerkstätten steckt. Wer beim Wort Behindertenwerkstatt direkt an auffällige psychische Beeinträchtigungen denkt, hat weit gefehlt. Häufig merkt man den Mitarbeitenden ihre Beeinträchtigung gar nicht an. „Bei uns arbeiten viele Menschen mit Autismus, psychischen Erkrankungen und Lernbehinderungen, die auf dem normalen Arbeitsmarkt überfordert wären“, sagt Melanie Hoffmann, Gruppenleiterin der Textilgruppe in Rheinhausen.
Wie Gina Sciuto. Sie führt ein selbstständiges Leben, hat aber aufgrund einer ausgeprägten Lernbehinderung auf dem ersten Arbeitsmarkt kaum eine Chance. Seit mittlerweile zehn Jahren arbeitet sie in den Caritas-Werkstätten Moers – zuerst in der Hauswirtschaft, inzwischen bedient sie Maschinen in der Metallabteilung. „Das liegt mir mehr. Und meine Freunde arbeiten auch dort. Öl hab ich noch immer manchmal an den Fingern – aber kein Salatöl mehr“, scherzt sie. Bei ELTEN tauscht sie den Job mit Andreas Bruckmann und ist für die Schaftvorbereitung zuständig. „Wir packen die fertigen Schuhschäfte auf die Transportwagen. Die Schäfte müssen dabei richtig stehen und der Wagen ordentlich beschriftet werden, damit später in der Produktion alles reibungslos ablaufen kann“, erklärt Bruckmann. Ausgestattet mit einem Paar Handschuhen und einem Cuttermesser macht sich Gina ans Werk, öffnet Kartons und räumt die Schäfte auf den Wagen. „Das hat mir richtig Spaß gemacht“, resümiert sie anschließend. Und auch Thomas Bruckmann ist zufrieden. Und ein bisschen aufgeregt vor seinem Schichtwesel in Moers.
Aufgeregt war auch Kathrin Boßmann-van Husen vor ihrem Einsatz in Duisburg-Rheinhausen. Sie arbeitet im ELTEN Store in Uedem und hat ihren Arbeitsplatz mit Claudia Drost und Lars Ihrke aus dem Caritas-Shop „W8ZIG“ getauscht. Glaskunst, Schmuck und Metallskulpturen aus den eigenen Werkstätten werden dort angeboten. Der Caritas-Shop ist einen Einrichtung der beruflichen Rehabilitation, die Menschen mit einer psychischen Erkrankung die Teilhabe am Arbeitsleben ermöglicht. „Ich fand es bemerkenswert zu sehen, mit welcher Geduld die Menschen im Caritas-Shop arbeiten. Diese Geduld fehlt uns auf dem ersten Arbeitsmarkt oft“, sagt Kathrin Boßmann-van Husen.
Bei den Mitarbeitern von ELTEN und den Caritas-Werkstätten Niederrhein hat die Aktion „Schichtwechsel“ ihre Intention voll erfüllt. Die einen konnten sehen, was beinträchtige Menschen allen leisten können, und die anderen haben hautnah erfahren, dass es auch auf dem ersten Arbeitsmarkt Tätigkeiten gibt, denen sie gewachsen sind.