21 Drohnen im Kreis Lippe
Rote und grüne Lämpchen blinken auf, als die vier kleinen Rotoren beginnen, sich zu drehen. Surrend erhebt sich die Drohne und steigt schnell senkrecht in die Luft. 20 bis 22 Meter hoch. Zu einer Zeit, zu der die meisten Menschen noch schlafen. Es ist kurz nach vier Uhr und im gesamten Kreis Lippe sind schon 21 solcher Drohnen in der Luft. Auf lebensrettender Mission. Ihre Piloten suchen die Felder mit Wärmebildkameras ab, um Rehkitze vor der Mahd zu retten. Einer von ihnen ist Florian, seit 7 Jahren ehrenamtlicher Helfer bei „Save the Kitz“ und heute in Dörentrup in Aktion. Fast jeden Morgen ist er aktuell mit einer Drohne unterwegs. „Gestern haben wir im gesamten Kreis 350 Hektar abgeflogen und konnten 126 Kitze retten“, erzählt er.
Warme weiße Punkte
In der Hand hält Florian eine große Fernbedienung mit Monitor. Warme Stellen im Feld werden darauf als weißer Punkt dargestellt. Doch warm sind neben den Rehkitzen auch deren Mütter, Hasen und mitunter sogar Maulwurfshügel. Damit Florians Helfer, die 15-jährige Schülerin Chiara und Bio-Landwirt Rudolf, nicht jedes Mal auf gut Glück ins Feld laufen müssen, schaltet die Drohne von Wärmebild auf Video um. Per Zoom ist schnell zu erkennen, wer es sich im Feld gemütlich gemacht hat. In diesem Fall ist es ein Hase beim Frühstück. Doch der nächste Punkt entpuppt sich tatsächlich als Rehkitz. „Das sieht schon etwas älter aus. Ich schätze, es flieht von alleine, wenn wir näher kommen“, sagt Florian. Mit der Sicherungskiste in der Hand machen sich Rudolf und Chiara auf den Weg ins kniehohe feuchte Gras. Um auf dem unebenen Feldboden einen sicheren Stand zu haben, tragen sie gut profilierte wasserdichte Schuhe von ELTEN: Florian den Sicherheitsschuh ROBSON XXP Pro GTX black-brown Mid ESD S3S HI CI, Landwirt Rudolf Modell KABRU XXP Pro Boa® GTX black Mid ESD S3S WR HI CI und Chiara den Berufsschuh ENYA XXF GTX grey-turquoise Mid ESD O2 WR CI. Kaum haben sie das Kitz erreicht, springt es auch schon auf und flieht in den Wald.
Chiara ist vor drei Jahren in die Technik-AG des Engelbert-Kaempfer-Gymnasiums Lemgo eingetreten und damit zu „Save the Kitz“ gekommen. Das Projekt ist im Jahr 2018 aus der AG heraus entstanden. Bereits seit 2014 baute Lehrer Dr. Daniel Muschiol mit seinen Schülern Drohnen. Statt immer nur auf dem Schulhof herumzufliegen, kam eines Tages die Idee auf, etwas Sinnvolles damit zu machen. Und da Lemgo und der Kreis Lippe geprägt von Feldern und Wäldern sind, lag die Kitzrettung per Wärmebildkamera nahe.
Über 95 Prozent Trefferquote
Bevor die Drohnentechnik Einzug hielt, wurden die Felder mühsam mit Hunden abgesucht – mit zweifelhaftem Erfolg. Denn im hohen Gras wird schnell klar, dass ein Kitz schon in unter einem Meter Entfernung kaum mehr zu entdecken ist. Vom Steuer eines Traktors mit Mähwerk so gut wie unmöglich. Heute lassen sich innerhalb von sieben Minuten bis zu 5,6 Hektar kontrollieren – mit einer Trefferquote von über 95 Prozent. „Die Landwirte bekommen hinterher ein Protokoll von uns“, sagt Florian. Das sei wichtig, weiß auch Rudolf. „Wenn ich doch nochmal ein Kitz erwischen sollte, und jemand sieht das und zeigt mich an, dann kann ich belegen, dass ich alles für den Tierschutz getan habe.“ Ansonsten drohen schnell Geldstrafen im vierstelligen Bereich.
Wichtig ist natürlich, dass zwischen Drohnenflug und Mahd so wenig Zeit wie möglich vergeht. Dazu nutzt „Save the Kitz“ die App „Agrarmonitor“. Darin markiert Florian direkt, wenn er ein Feld überflogen hat und gibt an, wie viele Kitze weggesprungen sind oder in Kisten gesichert wurden. „Dadurch weiß der Landwirt, ob er nach dem Mähen noch Kitze freilassen muss“, sagt Florian. Als er zum nächsten Feld aufbricht, biegt auch schon der Traktor mit Mähwerk um die Ecke.
Schutz vor Fressfeinden wird zu Gefahr
Um kurz nach sieben – Chiara ist mittlerweile auf dem Weg zur Schule – entpuppt sich der nächste weiße Punkt auf Rudolfs Feld tatsächlich als junges Kitz. Mit großen ängstlichen Knopfaugen schaut es die Helfer an, die eine Klappbox mit abgerupftem Gras auslegen. Fliehen kann es nicht, denn in den ersten Tagen haben Kitze den sogenannten Drückreflex. Sie liegen eng zusammengerollt auf dem Boden und drücken Kopf und Körper tief ins Gras. Das soll sie vor Fressfeinden schützen – bringt sie aber zur Mahd in Lebensgefahr. Rudolf zieht sich Handschuhe an, nimmt in jede Hand ein Büschel Gras, packt das Kitz beherzt am Körper und setzt es behutsam in die Box. Die verschließt er mit Kabelbindern und trägt sie an einen schattigen Ort am Rande des Feldes. Nachdem er das Feld gemäht hat, lässt er das Kitz wieder frei, damit es zurück zu seiner Mutter kann.
970 gefundene Kitze
Aus der Schülerinitiative ist längst ein eingetragener Verein geworden. Auch, um Fördermittel von Bund und Land zur Anschaffung neuer Drohnen beantragen zu können. Neben den selbstgebauten Modellen fliegen die 27 Piloten des Vereins auch hochmoderne Drohnen wie die mit den roten und grünen Lämpchen, die Florian benutzt. Dieses kostet 6.500 Euro inklusive austauschbarer Akkus. Der Verein finanziert sich ausschließlich aus Spenden der Landwirte und der Bevölkerung. Insgesamt hat „Save the Kitz“ in diesem Jahr schon 5.414 Hektar Fläche abgesucht und dabei 970 Kitze gefunden. 408 wurden in Kisten gesichert, 562 gezielt aus den Flächen vertrieben. Damit zeigt der Verein eindrucksvoll, wie moderne Technik, ehrenamtliches Engagement und gute Organisation Tierleben retten können. Und wie aus einer Schul-AG ein Projekt wird, das weit über den Unterricht hinaus Wirkung zeigt.